Was vom Rummel übrig blieb

Mit der S-Bahn bis „Plänterwald“, über die Köpenicker Landstraße in eine Seitenstraße, die den passenden Namen „Am Plänterwald“ trägt, vorbei an Schrebergärten und einer DDR-Plattenbauschule, den Waldweg entlang bis am Ende die Kassenhäuschen des „Spreepark Berlin“ auftauchen. Wir lassen uns durch das verwilderte Areal des früheren Vergnügungsparks führen, nicht wie angekündigt von der Tochter der Nachwende-Betreiber sondern der Produzentin des Spuk-Theaters Eva-Maria Brück-Neufeld.

Die Dame eilt recht durchs Dickicht, stoppt an den überwucherten Attraktionen und erzählt vom Aufstieg und Fall des Parks und vom Schicksal der Betreiber.

1969 als „Kulturpark Plänterwald“ eröffnet, stellt das Prestige-Objekt mit westlichen Fahrgeschäften den einzigen ständigen Freizeitpark der DDR dar. Drei Jahre nach der Wende übernimmt die Schaustellerfamilie Witte aus Hamburg den Laden und investiert Unsummen in die Umgestaltung des Parks, doch die angestrebten knapp zwei Millionen Besucher pro Jahr kommen nie. Es fehlt an Parkplätzen, Pläne zur Erweiterung der Stellflächen stoßen bei den Anwohnern auf Protest und werden vom Senat immer wieder abgelehnt. Auch aus Gründen des Landschaftsschutzes, denn der Plänterwald wird kurz nach der Unterzeichnung des Erbpachtvertrages zum Landschaftsschutzgebiet erklärt, etliche Hektar des Spreeparks entfallen aus der Nutzung. Im Vertrag wird das wohl nicht erwähnt. Überhaupt, der Vertrag: Die Bearbeitung durch die Senatsverwaltung geht außergewöhnlich langsam vonstatten, die Parteien unterschreiben erst 1997, fünf Jahre nach dem ursprünglich zugesagten Termin. Die Wittes verlieren dadurch Fördergelder in Millionenhöhe, außerdem ist die Zinsbelastung für die eingetragene Grundschuld nun erheblich größer als geplant. Der Senat wirft ihnen später vor, diverse Vereinbarungen wie die Renovierung des denkmalgeschützten Eierhäuschens nicht eingehalten und Umbauten ohne Genehmigung vorgenommen zu haben, obendrein hätten sie unwirtschaftlich gearbeitet. Ob wegen des oft beschworenen Größenwahns Norbert Wittes oder widerstrebender Interessen im Berliner Senat, die Existenz des Freizeitparks ist bedroht. Die Besucherzahlen sinken jährlich, 2001 meldet die Spreepark GmbH Insolvenz an.

Die Familie verlädt sechs alte Fahrgeschäfte in Container und emigriert nach Peru, um dort einen kleinen Vergnügungspark neben einem Einkaufszentrum zu errichten. Der Plan geht nicht auf: Der peruanische Zoll blockiert neun Monate lang die Freigabe der Gerätschaften und verlangt anschließend eine Standgebühr, die Wittes zu zahlen nicht in der Lage sind. Norbert Witte borgt wiederholt Geld zur Auslöse und Reparatur der vom lokalen Klima beschädigten Fahrgeschäfte, wie sich herausstellt von der peruanischen Drogenmafia, die ihn zum Schmuggeln einer beträchtlichen Menge Kokains nötigt, verpackt in einem der Fahrgeschäfte. Witte erleidet etliche Herzinfarkte und fliegt nach Deutschland, um sich einer Operation zu unterziehen. Sein 23-jähriger Sohn Marcel bleibt als Pfand für die Mafia in Peru, wo er von der Drogenfahndung verhaftet wird. Norbert Witte wird wenig später in Deutschland festgenommen. Er kommt nach vier Jahren frei, Marcel kämpft bis heute im peruanischen Knast ums Überleben. Die Ehe der Wittes ist inzwischen geschieden, Tochter Sabrina betreibt das Café Mythos im Spreepark, ihre Mutter Pia die Parkbahn. Norbert Witte lebt in einem Wohnwagen auf dem Gelände und verdingt sich mit dem Bau von Jahrmarktbuden. Er kann sich eine Wiedereröffnung des Spreeparks, zwar mit anderem Konzept, aber unter seiner Leitung noch immer vorstellen.

Damit ist er nicht allein. Seine Tochter zögerte nicht, einen Lotto-Gewinn in den Erwerb des Parks zu investieren und auch Gerd Emge, Chef der lokalen Sicherheitsfirma und neuer Mann an Pia Wittes Seite, würde beim Verkauf des Parks mitsteigern. Abgesehen von den Alteingesessenen mangelt es auch sonst nicht an Interessenten: Im Laufe der Jahre verhandelten etliche Investorengruppen mit der Stadt Berlin um den Erbpachtvertrag, zogen sich jedoch angesichts des Zwangs zur Übernahme der Schulden in zweistelliger Millionenhöhe und der schlechten Grundvoraussetzungen zum Betrieb eines Freizeitparks (kaum Parkplätze, Landschaftsschutzgebiet, nörgelnde Anwohner – Sie erinnern sich) wieder zurück. Im Juli dieses Jahres sollte zwangsversteigert werden: 2,5 Millionen Euro lagen auf dem Tisch als das Finanzamt und Hauptgläubiger in der Angelegenheit die Auktion stoppte. Mensch munkelt, die Stadt Berlin, die wider Erwarten bis kurz vor Schluss mitgeboten hatte, wolle sich das Grundstück zurückholen und gleichzeitig die Deutsche Bank aus dem Grundbuch kicken – deren Anspruch auf eine Rückzahlung geleisteter Kredite wäre mit einer erfolgreichen Zwangsversteigerung nämlich hinfällig. Vermutlich ließen sich dann Wege finden, im Plänterwald Luxuswohnungen zu bauen oder ein ähnlich einträgliches Geschäft zu tätigen. Und das bedeutete endgültig: Fair is over.

Wenn Sie die ganze Geschichte gern visualisiert hätten, schauen Sie sich die Doku Achterbahn an. Oder den deutlich gehässigeren Kurzfilm Der letzte Cowboy der Nation, der sich neben etlichen weiteren Schätzen auf Christopher Flades Spreepark-Website findet. Der junge Mann führt immer sonntags durchs Gelände.

Sollte Ihnen die Spreepark-Optik wäh­rend­des­sen völlig unbekannt vorkommen, obwohl Sie schwören könnten, als Steppke hier Achterbahn gefahren zu sein, dann liegt das unter Umständen daran, dass Sie entweder zu Ostzeiten oder, wie ich, kurz nach der Wiedereröffnung hier waren. Der Kulturpark bestand nämlich lediglich aus einer betonierten Fläche mit Springbrunnen in der Mitte sowie Fahrgeschäften, Imbiss- und Losbuden am Rand. Die Wittes baggerten den Beton später weg, um das Riesenrad entstand eine Wasserlandschaft, in der noch heute ein paar verkrautete Schwanenboote liegen.

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